Sleep No More von P.D. James

Januar 10, 2018



(Original: "Sleep No More"/ 2017 - Die einzelnen Erzählungen jeweils von 1973-1996) Faber & Faber Übersetzer/in: -, Englische Ausgabe, ★★★★★ 5 Sterne
Sechs mörderische Erzählungen, die nun erstmals alle in einem Band vorliegen. Im Herzen aller Erzählungen findet sich zudem immer wieder das Motiv der Rache, die in vielen Protagonisten schlummert.
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"Whatever you know, or think you know, of Ilsa Mancelli, you wont´t have heard about me. The publicity machine has decreed that I be nameless, faceless, unremembered, that I no longer exist." S.30

Als "Queen of Crime" war mir bisher immer nur Agatha Christie bekannt. Allerdings wird auch die Autorin P.D. James des Öfteren so betitelt. In diesem Band lassen sich sechs Erzählungen finden, die alle in diese Richtung zur Kriminalgeschichte gehen. Tatsächlich könnte man durchaus annehmen, dass beide Autorinnen einen ähnlichen Stil verkörperten, da es schließlich um ein gemeinsames Genre geht, dennoch empfand ich diese kurzen Erzählungen deutlich fokussierter und spezieller, als Christies Romane rund um Poirot und Miss Marple.
Die Erzählungen werden als perfekte Weihnachtskrimi-Lektüre deklariert, da es bereits vorher schon einen Sammelband mit dem Titel "The Mistletoe Murder" gab. Meiner Meinung nach kann man dieses Buch aber wirklich zu jeder Jahreszeit lesen, vielleicht aber doch nicht gerade im Hochsommer, sondern an wenigstens verregneten Tagen, damit sich die Stimmung 'entfalten' kann.
Schließlich spielen alle Geschichten an eher düsteren, regnerischen, windigen oder nebligen Tagen. Es geht oftmals um zwiespältige Gemüter, Figuren, die sich hin- und hergerissen fühlen. Andere wiederum verkörpern einen ausgeprägten Wunsch nach Rache und möchten diese in die Tat umsetzen. Dabei verspürt man als Leser immer eine leichte Gänsehaut, weil die Erzähler es schaffen, das Geschehene so zu erzählen, dass am Ende immer ein gewisses, prickelndes Entsetzen zurückbleibt. Man ist erschrocken und doch ziehen die Figuren einen in den Bann, vielleicht gerade weil sie so normal wirken und dennoch falsch handeln.

"There is one thing I shall never forget. The blood must have been red, what other colour could it have been? But, at the time and forever afterwards, I saw it as a golden stream."  S.48

Erzählt werden die Geschichten von den jeweiligen Tätern oder Betroffenen, sodass sie etwas sehr Persönliches enthalten. Dass die Figuren Täter sind, ist hier meist kein großes Geheimnis, da diese Fakten meist direkt zu Beginn jeder Geschichte erwähnt werden. Es geht hier daher nicht überwiegend darum, den Täter zu finden, sondern darum, dass man versucht den Figuren ihre Handlungen nachzuempfinden oder zu empfinden, was sie bei beobachteten Handlungen erlebt und gefühlt haben.
Dabei wird aber trotzdem nicht an der Spannung gespart. Obwohl vieles offen gelegt wird, gibt es die eine oder andere Erzählung die sich am Ende zu einem wahren Gedankensturm entwickelt. Manchmal gibt es Wendungen, die man nicht erwartet hätte, manchmal ist man einfach nur perplex, wie gut gewisse Andeutungen in den Erzählungen funktionieren, die einen wieder zurückblättern lassen. So ist es mir zum Beispiel mit der letzten Erzählung Mr. Millcrofts Birthday ergangen.
Insgesamt gefielen mir alle Geschichten sehr gut, vier haben mich aber besonders gepackt, nämlich The Victim, The Girl Who Loved Graveyards, A Very Desirable Residence und eben Mr. Millcrofts Birthday. Bei allen gab es bestimmte Motive, die sich während der gesamten Handlung gut entfaltet haben und die einfach ein stimmiges, spannendes und interessantes Ganzes ergeben haben.
Zudem schafft P.D. James es, dass ihre Erzähler eine faszinierende Wirkung auf mich haben, da sie ihre eigenen Handlungen auf eine bestimmte Weise reflektieren, die alles noch kurioser erscheinen lässt. Dennoch gibt es immer mal wieder Passagen, die mit Ironie und einem ganz bestimmten Humor gefüllt sind, welche einen wunderbar unterhalten.


Sechs kurze, aber prägnante Erzählungen, die sich alle mit Kriminalfällen auseinandersetzen. Gelungen sind hier die Erzählperspektiven und die sehr eigenen charakteristischen Eigenschaften der Protagonisten. Insgesamt scheint jede Geschichte sehr einzigartig und setzt sich mit anderen Aspekten von Missverständnis und Rache auseinander. So düster es zuerst klingen mag, entwickeln die Erzählungen immer eine unterschwellige Ironie, die auf zwei Weisen funktioniert; man fühlt sich gut unterhalten, verspürt aber gleichzeitig das Gefühl von besonderer Raffinesse und man denkt gleichzeitig intensiver über die Absichten und Entwicklungen der Figuren nach.


1 Kommentar:

  1. Ich hatte zu Weihnachten ihre Mistletoe Murders gelesen und fand die auch sehr gemütlich und spannend. Mir war ihr Name vorher auch nicht weiter bekannt bzw. dachte ich sogar sie wäre eine zeitgenössische Autorin ;D Ich freue mich aber schon dann im Herbst zu dieser Sammlung von ihr zu greifen.

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